Für das Verständnis der Bundeskanzlerin ist es hilfreich, mit Johannes Leithäuser zwischen der Persönlichkeit von Angela Merkel und ihrem politischen Wirken zu unterscheiden. Während man zu Recht ihre von Bescheidenheit, Geduld und Augenmaß geprägte Persönlichkeit wertschätzen kann, trägt ihre Wirkung als Außenpolitikerin doch eher „den matten Schein des Kompromisses“, – sehr höflich formuliert. Als Politologe darf man vielleicht etwas pointierter festhalten: Ohne Merkels umstrittene Politik der offenen deutschen Grenzen hätten wohl die Brexit-Befürworter in England nicht ihre sehr knapp Mehrheit erzielen können (zum Schaden Europas), und die Staaten der Europäische Union (mit ihren kompromisslosen Verweigerern einer gemeinsamen Flüchtlings- und Asylpolitik) wären wohl kaum so tief in sich und untereinander zerstritten wie sie es heute sind. Und ist die von Merkel angeblich geprägte starke „Rolle Deutschlands in der Welt“ tatsächlich an Hand von nachhaltigen Erfolgen messbar? Gibt es durch Gespräche mit Putin irgendeinen Fortschritt in der Eindämmung des Krieges in der Ost-Ukraine, bei der Überwindung der Lukaschenko-Diktatur, der Deeskalation des Genozids in Syrien oder des Staatszerfalls in Libyen? Auf der Berliner Libyen-Konferenz versprachen Putin, Erdogan und andere das Gegenteil von dem, was sie de facto an Eskalationspolitik vor Ort betrieben (Waffenlieferungen und Einfluss-Sicherung). Was brachte der Bundeswehreinsatz zur ‚Stabilisierung‘ eines korrupten Regimes an der Seite Frankreichs in Mali, wo sich nun verstärkt islamistische Dschihadisten breit machen? Sind bei der von der Kanzlerin so hoch geschätzten ‚Politik der Fluchtursachen-Bekämpfung‘ in Afrika Fortschritte erzielt worden, wozu es etwa einer mutigen Umkehr in der für Afrika ruinösen EU-Handels- und Fischereipolitik der EU bedurft hätte? Prof. em. Dr. Rainer Tetzlaff, Hamburg